Am Samstag, den 23. Juli 2022 fanden sich knapp 30 Teilnehmende vor dem Landratsamt Sigmaringen ein, um gemeinsam mit dem Projektmanager Thomas Blum und Fachgutachter*innen verschiedene Orte im Planungsgebiet der B311neu zu besuchen und sich über Aspekte des Planungsprozesses zu informieren. Dabei wurden Orte besucht, an denen verschiedene Themen exemplarisch erläutert wurden, die für die Entwicklung einer Trasse relevant sind und von Bürger*innen im Rahmen eines Workshops zwei Wochen vorher eingebracht wurden. Wichtig war den Veranstaltenden dabei, dass nicht der Verlauf bestimmter Trassenvarianten besichtigt wurde, sondern, dass allgemeine Einblicke in den Begutachtungsprozess möglich waren: Auf was wird geachtet? Wie werden die Gutachten erstellt? Wer arbeitet an den Gutachten mit? Wie wird am Ende der Variantenvergleich ablaufen?
Planung erfordert vielfältige Untersuchungen in einem großen Planungsgebiet
Am Landratsamt Sigmaringen, dem Startpunkt der Exkursion, zeigte Projektmanager Thomas Blum in seinen einführenden Worten zum aktuellen Stand des Planungsprozesses, zur Geschichte der Planung und den derzeit laufenden Untersuchungen auf, welche Komplexität solch eine Bundesstraßenplanung mit sich bringt und wie der Planungsprozess anzugehen ist. Ziel ist es, so Blum, mit einer leistungsfähigen Straße deren großräumiger Verbindungsbedeutung gerecht zu werden und die Ortsdurchfahrten zu entlasten. Eine neue Straße zwischen Meßkirch und Mengen muss allerdings auch mit den Eingriffen in die Umwelt und Natur vereinbar sein.
Projektmanager Blum führte weiter aus, dass er „die Menschen aus den betroffenen Orten frühzeitig informieren, ihre Anliegen hören, sowie eine große Transparenz über das Vorgehen während der Planung herstellen möchte.“ Neben Blum waren Gutachter*innen aus den Bereichen Umweltverträglichkeitsprüfung, Fauna, Flora und Forst Ansprechpartner*innen der interessierten Bürger*innen, die von dieser Gelegenheit reichlich Gebrauch machten. Sie erläuterten an verschiedenen Exkursionspunkten die aus ihrer Sicht fachlich relevanten Aspekte, die ein Straßenneubau berücksichtigen muss und erlaubten einen Blick hinter die Kulissen des Planungsprozesses. Der Projektmanager wie auch die Gutachter*innen betonten, dass es wichtig sei, schon sehr früh im Planungsprozess konstruktiv zusammenzuarbeiten.
Haltepunkt 1: Mengen-Ennetach
Schon heutige Verkehrssituation belastend für Anwohner*innen
Bereits auf der Busfahrt durch Sigmaringendorf und am ersten Haltepunkt im Norden von Ennetach an der B32 wurde – auch durch Berichte von direkt Betroffenen – deutlich, welche hohe Belastung schon heute an der bestehenden Straße herrscht. Dies wurde von Frau Lenz aus dem Team der Bearbeitung Umweltverträglichkeitsstudie, unterstrichen, indem sie auf Daten aus der Vergangenheit verwies, die für den Bereich Ennetach bereits heute an einigen Stellen eine Lärmbelastung über den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten ausweisen. Sie machte zudem deutlich, dass die bestehende Straße (Prognose Nullfall) und alle anderen Trassen in Bezug auf die Einhaltung der Grenzwerte geprüft und nach Lösungen zur Minimierung und Vermeidung gesucht werde. Im Planungsprozess müsste dann geprüft werden, ob entsprechende Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden müssen. Auf der Höhe von Ennetach könnte eine der Möglichkeiten sein, die Anschlüsse der Varianten inklusive der B32 nach Norden zu verschieben, um den gewonnenen Zwischenraum zur Bebauung zum Lärmschutz zu nutzen. Allerdings gäbe es dort archäologische Funde, sogenannte Bodendenkmäler, deren Betroffenheit es zu prüfen gelte, so ein Hinweis aus dem Teilnehmerkreis. Herr Mayer, zuständig als Gutachter für die Erfassung der Tiere im Untersuchungsraum, ergänzte, dass nördlich von Ennetach ein großes Vorkommen von Feldlerchen sowie Kornweihen und Raubwürger festgestellt wurde. Deren Lebensräume seien zu schützen. Dies sei ebenfalls bei Überlegungen zu möglichen Lösungen zu bedenken. Ergebnisse der Untersuchungen zu den Themen Lärm und Luftschadstoffe sind voraussichtlich Ende 2023 im Zusammenhang mit dem Variantenvergleich zu erwarten. Grundsätzlich machte Projektmanager Blum deutlich, dass der neue Anschluss an die B32 im Bereich Mengen/Ennetach planerisch eine Herausforderung darstelle.
Haltepunkt 2: Krauchenwies/Ablach
Flächen für den Hochwasserschutz und Vogelschutzgebiet bedeuten hohe Anforderungen und Hürden bei einer Straßenplanung
In Krauchenwies/Ablach auf der Brücke über die Ablach erläuterten die Gutachter*innen die dortigen Herausforderungen im Raum für eine mögliche Trasse. Frau Lenz verwies darauf, dass Flächen für den Hochwasserschutz sowie ein Natura 2000-Gebiet / Vogelschutzgebiet entsprechende Anforderungen und Hürden an die Planung und den Bau einer Straße in diesen Bereichen stellen. Sollte hier zukünftig eine Trassenvariante entlanggeführt werden, so dürfen bestehende Hochwasserschutzeinrichtungen nicht beeinträchtigt werden, Nachteile für Ober- und Unterlieger müssen vermieden werden und verlorengehende Rückhalteflächen ersetzt bzw. durch andere, gleichwertige Flächen ausgeglichen werden. Herr Mayer, Fachgutachter für Tierökologie, erläuterte am Beispiel einiger Vogel- und Amphibienarten, welche Beeinträchtigungen für teilweise gefährdete Tierarten durch den Bau einer neuen Straße entstehen würden. In der Baggerseenlandschaft entlang der Ablach wurden bis 2018 insgesamt 265 brütende, rastende oder durchziehende Vogelarten nachgewiesen, was einen sehr hohen Wert darstellt. Zudem hat das Gebiet für einige Arten große überregionale Bedeutung (so etwa die Kolbenente, die Schwarzkopfmöwe oder das Tüpfelsumpfhuhn). Die sich daraus ergebenden Betroffenheiten im Vogelschutzgebiet unterliegen einer rechtlich vorgeschriebenen Prüfung auf Verträglichkeit mit dem Bau einer Straße. Führt dies zu erheblichen Beeinträchtigungen, so ist eine Straßenplanung hier zunächst unzulässig; für die Zulassung auf Grundlage eines Ausnahmeverfahrens bestehen sehr hohe Hürden. Herr Remke, der mit seinen Kolleg*innen gemeinsam die Pflanzenwelt und Biotoptypen im Planungsgebiet kartiert und diese Daten zu einem Gutachten zusammenfasst, machte deutlich, dass die Baggerseen sowie die sie umgebenden Schlick- und Kiesflächen auch schützenswerte Biotope darstellen. Dies gelte auch für den seit ca. 1730 gestauten Wusthauweiher nördlich des Zielfinger Vogelsees, der gerade durch das wechselnde Ein- und Auslassen von Wasser Lebensraum für spezifische Pflanzen und Tierarten sei. Die Gutachter erläuterten, dass sie auf umfangreiche vorliegende Untersuchungen wie beispielsweise von Karl-Fidelis Gauggel zurückgreifen, der bereits Jahrzehnte die Vögel an den Zielfinger Seen beobachtet.
In Krauchenwies stieß Thomas Bareiß, Mitglied des Deutschen Bundestages und verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu den Teilnehmenden, um sich vor Ort ein Bild von dem für seinen Wahlkreis wichtigen Neubauprojekt zu machen und direkt mit Bürger*innen ins Gespräch zu kommen. Er hatte sich 2016 dafür eingesetzt, dass das Projekt im Vordringlichen Bedarf (VB) des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen wurde und somit maßgeblichen Anteil daran, dass der Planungsprozess noch im aktuell bis 2030 laufenden Bundesverkehrswegeplan weit vorangebracht werden kann. Herr Bareiß betonte wie Projektmanager Blum die Wichtigkeit eines transparenten, offenen Planungsprozesses, in dem frühzeitig möglichst viele kritische Aspekte einbezogen werden, um am Ende eine gute Lösung für die Menschen vor Ort zu finden.
Haltepunkt 3: Wald nördlich von Göggingen
Konsequenzen von Eingriffen in den Wald, Erhalt von Vernetzungsstrukturen für Tiere bedeutsam
Der Einfluss von großen baulichen Maßnahmen auf Biotope und Ökosysteme stand auch beim dritten Haltepunkt im Wald nördlich von Göggingen im Mittelpunkt. Hier machte Forstsachverständiger Crocoll deutlich, welche Eingriffe im Wald durch einen Straßenneubau am gravierendsten sind und welche Möglichkeiten der Kompensation bestehen. Dabei vermittelte er den Teilnehmenden auch, wie sich das große zusammenhängende Waldgebiet im Planungsgebiet historisch entwickelt hat. Er erklärte zudem, warum bei einem Trassenneubau durch den Wald nicht nur die Fläche, die unmittelbar für die Straße benötigt werde, verloren gehe, sondern der Flächenverbrauch sehr viel größer ausfallen würde, etwa um Gefährdungen durch Windbruch zu vermeiden. Ein solcher Eingriff in den Wald müsse flächenmäßig kompensiert werden. Damit hierfür nicht landwirtschaftliche Flächen herangezogen werden müssen, schlug ein Teilnehmender vor, die Flächen bei den Kasernen, die im Eigentum des Bundes sind, dafür zu nutzen. Neben der Kompensation der Fläche machte Herr Crocoll auch auf die Interessen von Waldbesitzenden aufmerksam, für die der Wald auch aus ökonomischer Sicht wertvoll sei und die nach gesetzlichen Vorgaben für einen Eingriff entschädigt werden müssten.
Herr Mayer und Herr Remke veranschaulichten anhand von Beispielen, welche Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt zu erwarten seien und berichteten von ihren aktuellen Datenerhebungen im Gebiet, bei denen eine Vielzahl gefährdeter Arten (wie etwa der Fitis, der Feldschwirl oder der Baumpieper) registriert wurden, die einen bewirtschafteten Wald mit Schlagfluren als Lebensraum benötigen. Darüber hinaus wurden bisher 12 Fledermausarten im alten Waldbestand bei Josefslust erfasst sowie etliche Re-viere des Grauspechts, der streng geschützt ist und sensibel auf straßenbedingte Auswirkungen reagiere. Insgesamt wies Herr Mayer darauf hin, dass die Vernetzung von Lebensräumen für viele Tierarten von großer Bedeutung sei, die es gelte zu schützen, da nur so der Fortbestand der Arten gewährleistet sei. Herr Remke verwies zudem auf sogenannte Sonderstandorte im Wald, so etwa die Annenbachversickerung, die Felsentäler in Igelswies und eine Reihe von Dolinen (d.h. Sinkhöhlen oder Karsttrichter), die gesetzlich geschützt und im Naturraum selten seien. Von Teilnehmenden der Exkursion wurde zudem auf den Erholungsnutzen des Waldes auch für die örtliche Bevölkerung hingewiesen sowie auf die Bedeutung des Waldes als natürliche Klimaanlage, die gerade bei steigenden sommerlichen Temperaturen für Abkühlung sorge. Dies wurde von den Gutachter*innen bestätigt – gerade in Zeiten des Klimawandels steige die Bedeutung großer Waldflächen weiter.
Haltepunkt 4: Inzigkofen/Pault
Spannungsfeld zwischen Mobilität, Erholungsnutzung und Landschaftsschutz
Auch beim vierten und letzten Begehungspunkt nahe des Golfplatzes Inzigkofen wurde deutlich, wie viele unterschiedliche Interessen beim Bau einer neuen Bundesstraße berücksichtigt werden müssen und dass es keine Lösung geben wird, die alle Zielkonflikte beseitigen kann. Hier wurde von den Gutachter*innen die Freizeitnutzung (nicht nur durch den Golfplatz, sondern auch durch Spaziergänger*innen und Radfahrende) betont, die wichtig in dem Untersuchungsgebiet sei und die sich je nach Lage einer neuen Bundesstraße verändern werde. Darüber hinaus gehöre das Gebiet zum Naturpark Obere Donau, dessen Qualität durch den Bau einer Straße ggf. beeinträchtigt würde.
Hier entstand mit den Teilnehmenden eine rege Diskussion über die Gewichtung verschiedener Aspekte für den Variantenvergleich und über die Bedeutung einer neuen Bundesstraße für die Region. Teilnehmende betonten, dass es eben nicht nur darum gehe, den überregionalen Schwerlastverkehr aus den Dörfern zu leiten, sondern auch eine Reihe von regionalen mittelständischen Handwerksunternehmen eine gute Anbindung für ihre Güter bräuchten, die nicht weiter zu Lasten der Anwohnenden gehen könne. Es gab allerdings auch Stimmen, die das Neubauprojekt an sich in Frage stellten und darauf verwiesen, dass sich zukünftig das Mobilitäts- und Konsumverhalten der Menschen ändern müsse. Hier sei es ein falsches Signal, ein kostspieliges Projekt wie die B311n in Angriff zu nehmen. Projektmanager Blum betonte, dass unterschiedliche Verkehrsszenarien im Vergleich der verschiedenen Straßenvarianten berücksichtigt und bewertet würden. Die Verkehrsgutachten würden, wenn sie vorliegen, in einer gesonderten Veranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt. Moderatorin Yvonne Knapstein von team ewen machte deutlich: „Das Ergebnis wird nie alle Sichtweisen auf eine neue Straße zufrieden stellen können. Wichtig ist, dass der Entscheidungsprozess bis zum Ergebnis von allen Beteiligten als fair und nachvollziehbar wahrgenommen wird.“
Gutachten werden Anfang 2023 abgeschlossen
Zum Abschluss der Exkursion erläuterte Projektmanager Blum die nächsten Schritte im Planungsprozess: Bis zum 1. Quartal 2023 werden die Fachgutachten Flora, Fauna und Forst abgeschlossen sein und als Grundlage für eine Bewertung der möglichen Trassenvarianten vorliegen. Danach erfolgt der Variantenvergleich, der zum Jahreswechsel 2023 / 2024 abgeschlossen werden soll. Über Ergebnisse wird die interessierte Öffentlichkeit jeweils informiert. Die Exkursion kam bei den Teilnehmenden gut an, vor allem auch die Möglichkeit zum direkten Austausch mit den Expert*innen wurde rege genutzt.
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